Hygiene-Preis 2015 verliehen

Innovative Ansätze zur Prävention und Kontrolle von multiresistenten Erregern

 

Hamburg, 27. November 2015. Die Rudolf-Schülke-Stiftung vergab in diesem Jahr ihren mit insgesamt 15.000 € dotierten Hygiene-Preis für zwei Forschungsarbeiten zum Thema multiresistente Erreger. Ausgezeichnet wurden zu gleichen Teilen die herausragenden Publikationen der Forschungsgruppe am Universitätsklinikum Regensburg um Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Tim Maisch zur photodynamischen Inaktivierung von multiresistenten Bakterien und der Arbeitsgruppe um Dr. med. Matthias Willmann, Universitätsklinikum Tübingen, für ihre molekularepidemiologischen Untersuchungen eines langdauernden Ausbruchs mit hochresistenten P.-aeruginosa-Stämmen. Die Hygieia-Medaille der Stiftung wurde an Frau Professor Elaine Larson, Columbia University, U.S.A., verliehen und damit ihre außerordentlichen Verdienste um die angewandte Hygiene und Infektionsprävention im medizinischen und häuslichen Umfeld in Forschung und Lehre gewürdigt.

Die Förderung innovativer Ansätze zur Prävention und Kontrolle von multiresistenten Erregern ist im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung der Antibiotikaresistenzen eine dringend erforderliche Investition in die Zukunft. Die Ehrung der beiden Arbeitsgruppen für ihre herausragenden Veröffentlichungen ist für diese Anerkennung und Ansporn zugleich, sich weiterhin intensiv mit dieser Thematik zu beschäftigen. Die Rudolf-Schülke-Stiftung vergibt den Hygiene-Preis alle zwei Jahre an Wissenschaftler, die Lösungen für spezielle Probleme im Bereich der Hygiene, Mikrobiologie, Präventivmedizin und Öffentlichen Gesundheit erarbeitet haben. Die Verleihung der Hygieia-Medaille und des Hygiene-Preises fand im Rahmen einer Feierstunde und mit Vorträgen der Preisträger im Anschluss an das Arbeitsgespräch der Stiftung statt. Das Arbeitsgespräch in diesem Jahr stand unter dem Titel „Worldwide Significance of Gram-Negative Antibiotic Resistant Rods: Epidemiology, Prevention and Control Strategies“.

Die Forschungsgruppe von Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Tim Maisch an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg spezialisiert sich auf die photodynamische Inaktivierung von pathogenen Mikroorganismen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Inaktivierung von Gram-positiven und Gram-negativen multiresistenten Bakterien. Grundsätzlich basiert dieser Ansatz auf der Nutzung bestimmter Farbstoffe, sogenannter Photosensibilisatoren, die an/in Bakterien lokalisiert werden und nach Anregung mit Licht geeigneter Wellenlänge die absorbierte Energie auf Sauerstoff übertragen können. Dieser Prozess führt zur Bildung von sehr reaktiven und somit toxischen Sauerstoffspezies (z.B. Singulett-Sauerstoff). In ihrer mit dem Hygiene-Preis ausgezeichneten Publikation (1) untersuchten Maisch et al. die Wirksamkeit der photodynamischen Inaktivierung von MRSA sowie von multiresistenten EHEC, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii. Sie verwendeten synthetische Riboflavinderivate (Vitamin B2) als Photosensibilisatoren. Riboflavin wird vielfach im Lebensmittelbereich eingesetzt. Es zeigte sich eine Reduktion um bis zu 6 log10-Stufen nach nur wenigen Sekunden Lichtexposition, unabhängig von der Bakterienart oder dem Resistenzmuster. Gleichzeitig bestrahlte humane Keratinozyten wurden hingegen nicht geschädigt. Prof. Dr. med. Martin Exner hob in seiner Laudatio die Innovationskraft des wissenschaftlichen Ansatzes hervor und wies auch auf das hohe Entwicklungspotential dieser Inaktivierungsmethode hin.

Ausgezeichnet wurde ebenso die Publikation des Wissenschaftlers und Arztes Dr. med. Matthias Willmann und Kollegen, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Mikrobiologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums Tübingen (Leitung: Prof. Dr. med. Autenrieth). Sie beschreibt die Rekonstruktion eines von 2009 bis 2012 andauernden Ausbruchs mit hochresistenten P.-aeruginosa-Stämmen auf zwei hämatologisch-onkologischen Stationen eines Universitätsklinikums (2). P. aeruginosa gehört zu den in Deutschland am häufigsten auftretenden Krankenhauskeimen. Dr. Willmann und Kollegen entwickelten einen Analyse-Algorithmus, der die genetische Verwandtschaft von P.-aeruginosa-Genomsequenzen und gleichzeitig den Zeitpunkt der Isolierung und den Aufenthaltsort des Patienten berücksichtigt. Dadurch ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit einer Transmission zwischen zwei Patienten zu berechnen. Zudem konnte gezeigt werden, dass die anfängliche Transmissions-Dynamik innerhalb eines Ausbruchs durch einzelne Patienten bestimmt wird, die den Ausbruchsstamm mit einer höheren Frequenz übertragen als andere Patienten (sogenannte „Superspreader“). Interessant waren auch die Hinweise, wonach sich der Ausbruchsstamm bereits bis zu einem Jahr vor dem erstmaligen Nachweis beim Indexpatienten im Krankenhaus befunden haben könnte. Auch nach umfangreichen Screening- und Hygienemaßnahmen (z.B. Austausch aller Siphons und Waschbecken, Isolierung) und einem Rückgang der Fallzahlen konnte im Sanitärbereich eines Patientenzimmers noch ein Umweltisolat des Ausbruchsstamms gefunden werden. Prof. Dr. Heeg lobte in seiner Laudatio neben der wissenschaftlichen Bedeutung des neuen Analyse-Algorithmus auch die Praxisrelevanz dieser Arbeit, mit deren Hilfe Antworten auf die vielen ungeklärten Fragen zu dem Ausbruch gefunden werden konnten.

Zusätzlich zu dem Hygiene-Preis wurde die Hygieia-Medaille verliehen. Diese Medaille ist nach der griechischen Göttin Hygieia benannt. Der Mythologie nach ist Hygieia eine Tochter des Asklepios und für den Erhalt der Gesundheit und die Verhütung von Krankheiten zuständig. In diesem Jahr wurde Frau Prof. Elaine L. Larson, Ph.D., RN, FAAN, CIC, Prodekanin für Forschung am Lehrstuhl für Pflegewissenschaften sowie Direktorin des Centers for Interdisciplinary Research to Prevent Infections (CIRI) an der Columbia University (U.S.A.), für ihre Verdienste mit dieser hohen Auszeichnung der Rudolf-Schülke-Stiftung geehrt. Ihr unermüdliches persönliches Engagement in den über 30 Jahren ihrer Tätigkeit, ihre hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten zur Epidemiologie, Verhütung und Kontrolle von Infektionskrankheiten sowie ihre Verdienste um die Lehre prägen ihr vorbildhaftes, berufliches Lebenswerk. So ist sie unter anderem einer der federführenden Autoren der WHO-Richtlinie zur Händehygiene sowie Autorin von mehr als 350 Zeitschriftenartikeln und zahlreichen Buchbeiträgen zu einer Vielfalt von Themen wie Händehygiene, Hautantiseptik, Übertragungswege und effektive Infektionspräventionsstrategien im privaten wie auch im medizinischen Umfeld, Antibiotikaresistenzen und auch zu ethischen Fragen in der Forschung. Sie ist seit 1995 Herausgeberin des American Journal of  Infection Control, Mitglied in vielen Ausschüssen und Gremien, beispielsweise der U.S. Centers for Disease Control and Prevention, und eine international hoch geschätzte Beraterin in Hygienefragen. Derzeitige Forschungsschwerpunkte von Frau Professor Larson sind der Zusammenhang zwischen Hygiene im häuslichen Umfeld und der Übertragung von Infektionskrankheiten, die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen sowie Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten mit einem besonderen Fokus auf Hautantiseptik und nosokomiale Infektionen (healthcare-associated infections).

In seiner Laudatio hob Prof. Manfred Rotter, Wien, auch ihre besonderen menschlichen Eigenschaften hervor wie den außerordentlichen Fleiß, Bescheidenheit und die unbedingte Hingabe zum Beruf: „I think we all share universal ones [priorities] – family and passion for meaningful and useful work. Frankly, any small bit a person does is just a piece of the larger community and ´tipping point´ for change.“

 

Über die Rudolf-Schülke-Stiftung

Die Rudolf-Schülke-Stiftung ist nach Rudolf Schülke, Mitbegründer der Schülke & Mayr GmbH in Norderstedt benannt. Dem Vorstand und Beirat der Stiftung gehören neben zwei Experten der Firma Schülke & Mayr acht hochkarätige externe Wissenschaftler aus dem In- und Ausland aus dem Gebiet der Hygiene und Mikrobiologie an. Vorsitzender ist Prof. Dr. med. Dr. h.c. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn. Mit der Verleihung des Hygiene-Preises und der Hygieia-Medaille, der Organisation von Arbeitsgesprächen zu aktuellen Themen der Hygiene und Infektionsprävention mit ausgewiesenen Fachleuten aus aller Welt sowie der ergebnisorientierten Veröffentlichung von den daraus gewonnenen Erkenntnissen fördert die Rudolf-Schülke-Stiftung bereits seit 1972 die interdisziplinäre und internationale Forschung und ein breit gefächertes Engagement in Wissenschaft und Praxis der Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin. Die Stiftung unterstützt zudem das Netzwerk Zukunft Hygiene (NZH), welches sich aus Ärzten zusammensetzt, die in den Bereichen Krankenhaushygiene und Umweltmedizin tätig sind. Sie treffen sich zweimal im Jahr zum Gedankenaustausch. Die Zusammenfassung des diesjährigen Arbeitsgespräches mit Vorträgen und einer lebhaften Diskussion zum Thema „Epidemiologie, Prävention und Strategien zur Kontrolle Gram-negativer multiresistenter Erreger“ wird wie in den vergangenen Jahren auf der Webseite der Stiftung sowie in der Fachpresse publiziert.

Preisträger des Hygiene-Preises der Rudolf-Schülke-Stiftung 2015: v.r.n.l: Dr. Matthias Willmann (Tübingen), PD Dr. Tim Maisch (Regensburg), Prof. Manfred Rotter (Beiratssprecher Rudolf Schülke Stiftung), Prof. Martin Exner (Vorstandsvorsitzender Rudolf Schülke Stiftung), Prof. Peter Heeg (stellvert. Vorstandsvorsitzender Rudolf Schülke Stiftung), Dr. Andreas Späth (Regensburg).

Preisträgerin der Hygieia-Medaille 2015: Prof. Elaine L. Larson

 

 

Preisträgerin der Hygieia-Medaille 2015: Prof. Elaine L. Larson,
Ph.D., RN, FAAN, CIC, Columbia University (U.S.A.).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Maisch T, Eichner A, Späth A, Gollmer A, König B, Regensburger J, Bäumler W. Fast and Effective Photodynamic Inactivation of Multiresistant Bacteria by Cationic Riboflavin Derivatives. PLoS One 2014. 9(12): e111792. doi:10.1371/journal.pone. 0111792.

2. Willmann M, Bezdan D, Zapata L, Susak H, Vogel W, Schröppel K, Liese J, Weidenmaier C, Autenrieth I, Ossowski S, Peter S. Analysis of a long-term outbreak of XDR P. aeruginosa: a molecular epidemiological study.  J Antimicrob Chemother 2015; doi:10.1093/jac/dku546.